Berlin, 20.01.2024

Nachruf auf Prof. Dr. Wilhelm Nordemann (8. Januar 1934 – 5. Januar 2024)

Prof. Dr. Wilhelm Nordemann ist am 5. Januar 2024, kurz vor seinem 90. Geburtstag in Potsdam verstorben. Wilhelm Nordemann war 37 Jahre lang, von 1969 bis 2006 Justiziar des Deutschen Komponist:innenverbands (DKV). Unzählige Ordner in der Geschäftsstelle des DKVs zeugen von seinem unermüdlichen und vielseitigen Engagement für den DKV. Viele der über 1.000 Mitglieder des DKVs beriet er persönlich in Fragen des Urheberrechts. Er war bei den Mitgliedern sehr beliebt, weil er es verstand, komplexe juristische Fragestellungen verständlich zu erklären und stets pragmatischen Rat erteilte. Den Vorstand und die Landesverbände des DKVs beriet er u.a. zu Satzungsfragen und erstellte heute noch im Einsatz befindliche Musterverträge für den DKV. Als Experte des Urheberrechts war er an zahlreichen Gesetzesinitiativen beteiligt, so auch am Professorenentwurf zu dem 2002 in Kraft getretenen Urhebervertragsrecht. Als Mediator soll er die Berliner Philharmoniker in der Auseinandersetzung mit Herbert von Karajan aus ihrer größten Krise gerettet haben. Stets stand er auch für die Interessen der Komponisten und anderer Künstler ein. Zu seinem Abschied im Jahre 2006 erhielt er vom DKV die „Medaille für besondere Verdienste für die Musik“.

Wilhelm Nordemann war während seiner Jahre beim DKV in der renommierten Berliner Anwaltskanzlei Dr. Friedrich Karl Fromm tätig. Gemeinsam gaben sie den Urheberheberechtskommentar Fromm/Nordemann heraus, der heute – 3.000 Seiten stark – in 12. Auflage vorliegt. Seit 1969 hielt Nordemann Vorlesungen an der Freien Universität Berlin und wurde nach der Wiedervereinigung Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin.

Anläßlich meines Nachrufs sprach ich mit dem Komponisten Professor Harald Banter, der als Vorstandsmitglied des DKVs Wilhelm Nordemanns Wirken noch miterlebt hat. Er berichtete mir von Vorstandssitzungen bei gutem Rotwein im großen Haus von Wilhelm Nordemann an der Havel. Er berichtete von der Großzügigkeit, Fröhlichkeit, Gelassenheit und Klugheit von Wilhelm Nordemann. Er erzählte auch, wie die kleinen Kinder Axel, Jan und Anke, die heute große Urheberrechtler sind, während der Vorstandssitzungen zwischen den Beinen der Vorstandsmitglieder krabbelten. In Zeiten von Zoom-Meetings erscheinen solche Berichte wie aus einer besseren Welt.

Wie auch Gernot Schulze, mein Vorgänger im Justiziariat des DKVs, habe ich bei Professor Nordemann promoviert. Ich war 1987 auf dem Weg in die USA, um an der University of Pennsylvania ein LL.M.-Programm zu absolvieren. Als ich in sein Büro in der Anwaltskanzlei kam, um über eine mögliche Promotion zu sprechen, schob er mir einen Zettel über den Tisch auf dem stand: „US Filmproduzenten und deutsche Vergütungsansprüche“. Mit diesem Zettel ging ich nach Hause und dann in die USA. Dank eines Themas, das mir zunächst fremd und sehr speziell schien, bekam ich einen tiefen Einblick in die Unterschiede des US-amerikanischen und des deutschen Urheberrechtsgesetzes, die Schranken des Urheberrechts, die US-amerikanische „works made for hire“ doctrine, Urheberpersönlichkeitsrechte und das Urhebervertragsrecht. Während der Arbeit hatte Professor Nordemann immer ein offenes Ohr für mich, gab mir Orientierung und motivierte mich, meinen Weg weiterzugehen. Noch heute bin ich Professor Nordemann dankbar für dieses wunderbare Thema. Er wird mir, er wird dem DKV, er wird uns allen fehlen.

Dr. Constanze Ulmer-Eilfort, Justiziarin des DKVs